„Weniger Risiko in unseren Lieferketten bedeutet weniger Risiko für unsere Kunden“
Körber legt großen Wert darauf, für nachhaltige Lieferketten und eine nachhaltige Beschaffung zu sorgen. Eine komplexe Aufgabe: Der Konzern arbeitet weltweit mit mehr als 10.000 Lieferanten in 80 Ländern zusammen und kauft etwa 50 Prozent seiner Konzernleistung hinzu. Das bedeutet auch, dass ein Großteil des CO₂e-Ausstoßes in den Lieferketten entsteht.

Bei der Auswahl und Bewertung von Lieferanten spielt die Reduzierung der Emissionen mittlerweile neben Umwelt- und Arbeitsschutz, sozialen Standards, Compliance und der Einhaltung der Menschenrechte eine zentrale Rolle. Somit sind ökologische, soziale und unternehmensbezogene Kriterien Teil der regelmäßigen Bewertung bestehender Lieferanten sowie ausschlaggebend bei der Auswahl neuer Lieferanten.
Unser Einkaufsvolumen beträgt 1,3 Milliarden Euro.
Über 10.000 Lieferanten aus 80+ Ländern beliefern Körber.
Auf dem Weg zu einem durch und durch nachhaltigen Unternehmen kommt dem Einkauf & Supply Chain Management sowie seinen Mitarbeitern eine wichtige Rolle zu. Sie treiben gemeinsam mit den Lieferanten innovative Ideen voran und sorgen entlang der Lieferketten für nachhaltige Veränderungen.
Marco Kretschmar ist Senior Manager im Einkauf & Supply Chain Management und verantwortlich für die Themen Risikomanagement und Nachhaltigkeit. Er weiß, was Lieferketten so komplex macht und wie es Körber gelingt, Lieferketten resilient und zukunftsfähig zu gestalten.
Gibt es ein Beispiel, das die Komplexität einer Lieferkette verdeutlicht?
Nehmen wir Halbleiter als Beispiel, die für viele unserer elektronischen Baugruppen in den Maschinen wichtig sind. An der Fertigung dieser Halbleiter sind vorab entlang der Lieferkette eine Vielzahl von Lieferanten beteiligt. Sie alle erfüllen unterschiedliche Aufgaben: von der Herstellung von Siliziumwafern über die Fotolithografie, die Oberflächenbearbeitung und die Verdrahtung bis hin zur Prüfung und zur Integration in die Steuerungs- und Antriebselektroniken. All diese Lieferanten haben wiederum vorgeschaltete Lieferanten in ihren Wertschöpfungsketten, und das in einem globalen Umfeld. Das trifft nicht nur auf Halbleiter zu, sondern auch auf weitere Warengruppen für viele unserer Produkte und Serviceleistungen.
Körber richtet sich nicht nur nach geltenden Gesetzen und Pflichten, sondern übernimmt darüber hinaus aus eigenem Antrieb weitere Verantwortung. Welche Maßnahmen tragen dazu bei, Lieferketten möglichst nachhaltig zu gestalten?
Für uns ist es grundsätzlich sehr wichtig, Risiken entlang der Lieferketten zu minimieren. Wir haben zum Beispiel einen eigenen Verhaltenskodex erarbeitet, an dem sich all unsere Lieferanten orientieren müssen, wenn ein Vertrag mit uns zustande kommen soll. Der Kodex gibt vor, nach welchen Grundsätzen, Unternehmenswerten, rechtlichen Vorschriften sowie gesellschaftlichen Normen wir zusammenarbeiten wollen. Außerdem führen wir regelmäßig sogenannte Audits bei unseren Partnern vor Ort durch, also standardisierte Befragungen, um etwaige Verstöße möglichst früh zu erkennen oder auszuschließen. Dafür schulen wir unsere Mitarbeiter regelmäßig. Darüber hinaus nutzen wir eine webbasierte Monitoring-Plattform, IntegrityNext, um Risiken weiter zu minimieren. Auch eine gründliche Marktrecherche hilft dabei, mögliche Risiken in unseren Lieferketten frühzeitig zu identifizieren und Gegenmaßnahmen zu definieren.
Gibt es bestimmte Bereiche, die sich nur schwer überwachen lassen?
Es gibt kein perfektes oder voll automatisiertes System. Darum sprechen wir allgemeiner von Risikomanagement. Für uns ist es wichtig, möglichst viele Informationen aus allen relevanten Bereichen zu sammeln. So erfahren wir, wie unsere Partner arbeiten und wie nachhaltig ihre Geschäftspraktiken sind. Identifizieren wir im Rahmen unserer kontinuierlichen Überwachung erhöhte Risiken, holen wir weitere Informationen ein und führen beispielsweise ein Audit vor Ort durch. Sollten Nichtkonformitäten bei Lieferanten vorliegen, definieren wir gemeinsam mit unserem Partner Korrektur- und Präventionsmaßnahmen. Je nach Schwere einer Nichtkonformität behalten wir uns vor, die Geschäftsbeziehung unmittelbar zu beenden.
„Digitalisierung ist unabdingbar für die Transparenz sowie für die Konnektivität mit unseren Lieferanten.“
Marco Kretschmar
Senior Manager im Einkauf & Supply Chain Management des Körber-Konzerns
Stichwort IntegrityNext: Wie hilft die Digitalisierung, Lieferketten besser im Blick zu behalten?
Eines der hilfreichen digitalen Tools, mit denen wir unsere Lieferketten besser überwachen können, ist IntegrityNext. Lieferanten geben dort umfassend über ihre Geschäfts- und Nachhaltigkeitspraktiken Auskunft. Die Plattform stellt somit viele wichtige Informationen gesammelt zur Verfügung, etwa über den Umgang mit Arbeits- und Menschenrechten, Antikorruption und Bestechung, Umweltschutz und CO₂e-Management. Wer sich nachhaltig und transparent aufstellt, hat einen klaren Wettbewerbsvorteil. Viele Unternehmen – so auch Körber – haben das Thema Nachhaltigkeit bereits als wichtiges Auswahlkriterium für Lieferanten definiert. Das heißt: Wenn zwei Anbieter zu einem ähnlichen Preis und in gleicher Qualität anbieten, wird der nachhaltigere den Auftrag erhalten.
Digitale Plattformen helfen also dabei, wichtige Informationen schnell zu erheben und abzurufen. Besonders Themen wie erhöhte Risiken von Menschenrechtsverletzungen prüfen wir letztlich aber immer noch selbst mit Unterstützung der genannten Informationssysteme.

Was passiert, wenn ein Risiko erkannt wird? Welche Mechanismen greifen in solch einem Fall?
Sollte es einen Verdacht geben, gehen wir diesem gründlich nach. Wir verlangen dann von unserem Partner konkrete Nachweise, die eine Verletzung unserer Verträge oder unseres Kodex ausschließen. Wenn wir diese Nachweise nicht bekommen, untersuchen Mitarbeiter aus unserem Compliance Department den Sachverhalt, bis wir eine Nichtkonformität ausschließen können. Sollte das nach ausgiebiger Prüfung nicht möglich sein, wird die Zusammenarbeit beendet. Aber: In der Regel verschaffen wir uns von unseren Partnern ein langfristiges Bild und schauen von Beginn an, wie wir Lieferketten nachhaltig und innovativ gestalten können. Gleichzeitig achten wir darauf, dass wir nie zu abhängig von einzelnen Lieferanten sind, um Lieferketten resilient zu halten.
Ein Blick in die Zukunft. Wie verändern sich Lieferketten, und auf welche Herausforderungen müssen sich Unternehmen einstellen?
Wir gehen davon aus, dass in Zukunft regionales Sourcing immer wichtiger wird. Das heißt: Wir beziehen unsere Rohstoffe und Produkte nach Möglichkeit zunehmend in den Regionen unserer eigenen Produktionsstätten. Eine geografische Nähe der Zulieferer hat den Vorteil, dass Rohstoffe und vorgefertigte Teile nicht mehr um die halbe Welt transportiert werden müssen. Somit reduzieren wir nicht nur unseren CO₂e-Fußabdruck, auch die Komplexität der Logistik verringert sich.
Außerdem müssen wir uns über den Umgang mit weiterer Regulatorik Gedanken machen – dazu gehört etwa das geplante CO₂-Grenzausgleichssystem der EU namens Carbon Border Adjustment Mechanism, kurz CBAM. Das ist ein Preismechanismus für den CO₂-Ausstoß bei der Herstellung kohlenstoffintensiver Güter wie Stahl oder Aluminium, die in die EU eingeführt werden. Das Thema der Widerstandsfähigkeit gegenüber Cyberattacken wird ebenfalls wichtiger. Viele unserer Maschinen oder Servicelösungen werden mit einer Software betrieben. Wir müssen also sicherstellen, dass entlang unserer Lieferketten keine Schadsoftware aufgespielt wird, die wir am Ende – ohne es zu wissen – an unsere Kunden weitergeben. Auch das ist Teil eines modernen Risikomanagements.